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Interview mit Garth Stein zum Filmstart von „Enzo und die wundersame Welt der Menschen“

Am 3. Oktober 2019 kommt die Verfilmung von Garth Steins Bestseller Enzo, die Kunst ein Mensch zu sein, in die Kinos. Es ist die Geschichte eines Hundelebens, wie es sie vielleicht so oder so ähnlich oft gibt. Ein junger Mann kauft einen Welpen, zieht ihn auf, hat irgendwann eine Familie und gemeinsam erleben Hund und Menschen so manche Höhen und Tiefen. Was Garth Steins Roman allerdings besonders macht ist, dass er aus Sicht des Vierbeiners erzählt, den er Enzo nennt. Damit bekommt die Geschichte eine ganz andere Perspektive. Wie Garth Stein auf Enzo gekommen ist und warum er sein Buch nur so schreiben konnte, verrät der Autor im nachstehenden Gespräch mit Düsseldogs.

Szene aus "Enzo und die wundersame Welt der Menschen", der Verfilmung von Garth Steins Bestseller, die am 3. Oktober 2019 in die Kinos kommt. - Foto: Fox

Was hat Sie auf die Idee gebracht ein Buch aus Sicht eines Hundes zu schreiben?

„Ich habe Dokumentarfilme gedreht und so ungefähr vor zehn Jahren bat man mich für eine Dokumentation mit dem Titel State of Dogs, die in der Mongolei aufgenommen worden war, nach einem Verleih für die USA zu suchen. Der Film drehte sich um die Vorstellung der Mongolen, dass ein Hund in seinem nächsten Leben als Mensch wiedergeboren wird. Sie führen bestimmte Rituale durch, wenn ein Vierbeiner stirbt. Beispielsweise schneiden sie ihm den Schwanz ab und legen ihn in sein Maul. Weil der Hund in seinem nächsten Leben keinen Schwanz mehr brauchen wird. Wenn er dann nach einem festen Ritus begraben wird, flüstern seine Besitzer ihm ins Ohr, dass es sein größter Wunsch ist als Mensch wiederzukehren. Es war ein wunderbarer Film und die Vorstellung, ein Hund kehrt auf diese Wiese auf die Erde zurück, blieb mir immer im Hinterkopf über viele Jahre. Ich dachte, eines Tages werde ich etwas daraus machen, hatte aber noch keine klare Idee was das sein wird. Vor ein paar Jahren besuchte ich dann eine Gedicht-Lesung des amerikanischen Dichters Billy Collins. Er las ein Gedicht vor, das aus Sicht eines Hundes geschrieben war. Die Leute warfen sich weg vor lachen, weil der Hund so eine sarkastische und doch witzige Art hatte. In dem Moment erinnerte ich mich wieder an den Film und ich wusste, ja das ist es, ich werde die Geschichte über den Wunsch einer Wiedergeburt schreiben und ich werde sie aus Sicht eines Hundes erzählen. Enzo war geboren.“

Wenn die Mongolen glauben, ihre tierischen Begleiter würden als Menschen wiedergeboren, müssen sie eine ganz besondere Beziehung zu ihnen haben.

„Oh ja. Die Mongolen behandeln ihre Hunde so als seien sie etwas ganz Besonderes. Sie sind Begleiter, Familienmitglied und sie haben eine Aufgabe. Sie sind in der Regel sehr groß. Es sind meist Hütehunde. In Europa oder den Vereinigten Staaten sind sie kaum bekannt und sie sind so viel größer als die Rassen, die wir normalerweise so kennen. Es heißt, die ersten Entdeckungsreisenden hätten sich gegenseitig geraten, nie vom Pferd abzusteigen, bevor der Jurtenbesitzer seinen Hund herangerufen hätte. Denn wenn man zu schnell absteigt, würden die Hunde einen zerfleischen. Sicher ist, diese Hunde haben die Aufgabe auf das Vieh aufzupassen. Sie wandern mit den Nomaden, um dem Stamm vor Wölfen und Räubern zu schützen. Die Hunde schlafen auch bei den Babys und sind so ein Mitglied der Familie, das genauso behütet und geschätzt wird wie ein Mensch. Wenn ein Mensch vor seinem Hund stirbt, wird er mit dem Wunsch begraben, dass er im nächsten Leben wieder mit seinem vierbeinigen Freund vereint sein wird.“

Eine schöne Vorstellung.

„Wissen Sie, ich habe zwar einen anderen kulturellen Hintergrund, aber meine Mutter ist zur Hälfte eine Inuit. Die Indianer glauben auf ihre Art auch an eine Wiedergeburt. Wenn ein Altvorderer gehen muss, wird er in ein oder zwei Generationen wiederkehren. Deshalb achten die Inuit bei ihren Kindern immer auf ein Zeichen dieses Ahnen, sei es die Haar- oder Augenfarbe oder ein Muttermal und ähnliches.“

Der eng an der Buchvorlage umgesetzte Film, erzählt die Geschichte von Enzo vom Welpenalter bis zum Senior. - Foto: Fox

Wie haben Sie sich auf die Aufgabe eine Geschichte aus Hundesicht zu erzählen vorbereitet? Haben Sie sich über das Verhalten oder die Kommunikation von Hunden informiert?

„Nein. Was hätte ich da herausfinden können? Wissen Sie, Enzo glaubt ja fest daran eine menschliche Seele zu haben, die im Körper eines Hundes gefangen ist. Wenn Sie sich jetzt vorstellen, sie wären Enzo, dann macht es wenig Sinn sich in einen normalen Hund hineinzuversetzen. Deshalb habe ich mir vorgestellt, ich schreibe aus Sicht eines Charakters, der frustriert ist mit seiner Situation. Der sich eingeengt fühlt und aus der Sache so bald wie möglich wieder raus will. Deshalb habe ich Enzo nicht über Hundesachen nachdenken lassen, sondern ich habe ihm Gedanken folgen lassen, die ein Hund haben könnte, der von sich selbst glaubt, eigentlich eine menschliche Seele zu haben, die nur im falschen Körper gelandet ist. Das ist so anders, dass man dazu nichts wirklich recherchieren kann. Natürlich habe ich Enzo ein paar Charakterzüge verliehen, die typisch für einen Vierbeiner sind. Seine sinnlichen Fähigkeiten etwa, seine gute Nase und seine guten Augen. Auch die Tatsache, dass Menschen dazu neigen ihrem Hund Dinge zu erzählen, die sie niemandem sonst anvertrauen würden oder dass Enzo Zugang zu bestimmten Dingen hat, die einem Menschen verwehrt bleiben.“

Ist das der Grund, warum Enzo null Interesse an seinen Artgenossen zeigt?

„Ja. Manchmal hat er für seine Artgenossen nur Missachtung übrig.“ (lacht)

Enzo bezieht sein Wissen über Menschen zum einen aus seinen Beobachtungen und zum anderen vornehmlich aus stundenlangem TV-Konsum. 

„Ich habe mich gefragt, wenn ich ein Hund wäre und nicht zur Schule gehen könnte, wo könnte ich alles Lebenswichtige lernen? Gut er kann natürlich von seinem Umfeld lernen. Aber ich wollte ja, dass er über den Tellerrand seiner kleinen Welt hinausschaut und da erschien mir das Fernsehen genau richtig. Er kann ja nicht auf reisen gehen oder andere nach ihren Erfahrungen ausfragen.“

Enzo ist immer mit dabei. - Foto: Fox

Kommt ganz drauf an, was Enzo sich da ansieht?

„Ja, deshalb habe ich Denny ihn ja auch warnen lassen, sich nicht jeden Quatsch anzusehen. (lacht) Er sieht viele Dokumentationen von National Geographic und eben auch die Eingangs erwähnte Dokumentation über die Mongolen und ihre Beziehung zu Hunden.“

Hat die Arbeit am Buch Ihre Sichtweise auf Hunde verändert? Sie haben ja selbst eine Hündin.

„Stimmt, Comet heißt sie. Hm – ich würde nicht sagen, dass sich meine Sicht auf Hunde verändert hat. Andererseits ist es ja immer so, wenn man ein Buch über etwas schreibt, verändert sich ganz automatisch die Sicht auf dieses Thema. Schon allein deshalb, weil man es von verschiedenen Perspektiven beleuchtet und sich so lange damit beschäftigt. Wird sich die Sicht eines Bergsteigers, der ein Buch über Berge schreibt, auf eben diese Berge verändern?“

Nicht? Ich denke schon!

„Okay, in gewisser Weise sicher. Man wird vertrauter mit einer bestimmten Terminologie und der Technik. Wenn Sie mich aber in Bezug darauf fragen, ob ich nach der Arbeit am Buch eine Erleuchtung hatte und plötzlich verstehe, wie Hunde wirklich denken, dann muss ich leider sagen, nein – die hatte ich nicht. Ich liebe Comet über alles und ich beobachte sie gern. Aber ich habe nicht den blassesten Schimmer was in ihr vorgeht, wenn sie sich mal wieder ein Hühnerbein vom Tisch geklaut hat.“

Partystimmung bei Enzos Familie. - Foto: Fox

Da haben Sie keine Vorstellung was das sein könnte?

„(lacht) Vage!“

Wie alt ist Comet?

„Viereinhalb Jahre. Wir haben sie von Klein auf. Irgendwie ist sie immer wie ein Welpe geblieben. Sie kann sich prima mit sich selbst beschäftigen. Wenn ich allerdings nachhause komme, folgt sie mir auf Schritt und Tritt. Ich kann am Schreibtisch sitzen und sie schläft neben mir. Wenn ich aufstehe, um mir ein Glas Wasser zu holen, steht sie sofort neben mir, auch wenn ich ihr versichere sofort zurück zu sein.“

Gab es Ihnen eine gewisse schriftstellerische Freiheit aus Hundesicht zu schreiben oder hat es Ihre Arbeit eher eingeengt?

„Beides. Die Einschränkungen sind offensichtlich. Ein Hund hat nun mal keine Daumen, also kann er nichts greifen oder Fenster öffnen und ähnliches. Seine Zunge ist viel zu locker, damit kann er keine Worte formen. Andererseits hat er wie ich ja schon erwähnt habe, die Möglichkeit Zugang Informationen zu bekommen, die ein Mensch nie bekäme, weil ein Zweibeiner seinem tierischen Freund viele Dinge anvertraut. So wird Enzo im übertragenen Sinne eine Fliege an der Wand. Über ihn erfahren wir Sachen, die ein menschlicher Charakter nicht wissen könnte, weil Denny ihm nie diesen Zugang erlauben würde.“

Enzo ist in seinem Herzen ein Rennfahrer. - Foto: Fox

In den Zusammenhang passt auch, dass Enzo die tödliche Krankheit von Dennys Frau Eve lange schon erspürt, bevor sie selbst es weiß.

„Ganz genau. Ich bin ganz fasziniert von der Fähigkeit, dass Hunde schwere Erkrankungen erspüren können. Ihre Nase ist unglaublich. Es ist wissenschaftlich dokumentiert, dass Hunde darauf richtiggehend trainiert werden können, Krankheiten zu erschnüffeln. Ich habe dazu unzählige Veröffentlichungen gelesen. Und mir war klar, dass Enzo wissen wird, dass Eve an Krebs erkrankt ist, bevor die Menschen überhaupt nur etwas davon ahnen. Er ist extrem frustriert, weil er es weiß und keine Möglichkeit hat diese Wahrheit seinen geliebten Menschen mitteilen zu können. Ich sehe Enzo in einer vergleichbaren Position, wie einst die Seherin Kassandra. Der Legende nach wurde ihr die Gabe der Vorausschau verliehen und sie wurde gleichzeitig mit dem Fluch belegt, dass ihr niemand glauben wird. Diese Frustration, die daraus entsteht ist für einen Autor, der an einer dramatischen Handlung schreibt, natürlich ideal. Als Leser weiß man, was Enzo weiß und ängstigt sich mit ihm.“

Offizieller Filmstart ist der 3. Oktober 2019. - Foto: Fox

Enzo ist auf seine Art ein kleiner Philosoph. Was können wir von ihm lernen?

„Ich habe mich entschieden Enzos Besitzer Autorennen fahren zu lassen. Ich habe mich intensiv damit beschäftigt und stellte dabei fest, dass damit auch eine ganz bestimmte Philosophie verbunden ist. Es geht nicht nur um die körperliche Herausforderung dieses Sports. Es gibt auch einen mentalen Aspekt dabei. Die meisten Fehler passieren bei diesem Sport, wenn die Fahrer die Kontrolle über ihre Emotionen verlieren. Stellen Sie sich vor, Sie stehen auf Skiern und rasen einen Hang hinunter. Plötzlich geht Ihnen auf, dass Sie einen Fehler gemacht haben. Sie hätten eine andere Abzweigung nehmen müssen. Während Ihr Bewusstsein also noch über die verpasste Gelegenheit grübelt, ist ihr Körper schon längst den Hang runter geschossen und die Chance das Unvermeidliche noch aufzuhalten ist vertan. Deshalb gehört es zum Training von Extremsportlern ganz im Hier und Jetzt zu sein, sich nicht von Gedanken oder äußeren Einflüssen vom Ziel ablenken zu lassen. Mein Lektor und ich haben so eine Art running Gag daraus gemacht. Wann immer etwas schief läuft oder nicht so, wie wir es uns vorgestellt haben, sagen wir uns, wir halten uns nicht damit auf, was wir nicht haben können. Wir konzentrieren uns auf das, was wir erreichen können. Enzo erkennt das, weil er sehr viel Zeit hat darüber nachzudenken. Er erlebt, wie Denny dieses Ziel völlig aus den Augen verliert, als seine Frau stirbt und die Schwiegereltern ihn für das Sorgerecht seiner Tochter vor Gericht zerren. Denn er lässt sich völlig von seinen Emotionen bestimmen. Enzo hilft ihm dabei, sich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren, ganz so, wie er es auf der Rennbahn tun würde. Es geht nie um Schuld. Es geht allein darum zu erkennen, wo man gerade ist und wie man sein Ziel erreichen kann. Solange man nur damit beschäftigt ist mit dem Finger auf andere zu zeigen und ihnen die Schuld zuzuweisen, wird man dieses Ziel nie erreichen können. Für mich ist das Rennen eine Metapher für das Leben. Jetzt stellen Sie sich vor, Enzo wäre ein Mensch und Ihr Nachbar. Dann würden Sie sagen, ach komm – das ist doch viel zu kitschig, so was kann man nicht schreiben. Es ist einfach zu simpel. Aber Enzo der Hund darf das sagen. Vielleicht ist es auch genau das, was die Leser an dem Buch mögen. Die Aussage ist zwar in ihrer Essenz simpel, aber sie hat eine enorme Auswirkung auf unser Leben. Ich habe drei Kinder. Nicht selten passiert es im Alltag, dass ich mal sauer oder defensiv reagiere. Nachdem ich am Buch gearbeitet habe, beobachte ich mich oft selbst dabei und denke, warum bin ich so wütend? Ist es weil ich inkompetent bin und die Schuld lieber bei jemandem anderen suche? Mindert das wirklich meine Wut? Nein. Also schau ich nach vorn. Ich kann das was geschehen ist nicht mehr ändern, aber ich kann es besser machen. Wenn wir alle darauf etwas mehr achten würden im Umgang miteinander, wäre die Welt sicher ein besserer Ort.“

Garth Steins Besteller wurde zur Vorlage für einen Spielfilm. - Foto: Knaur

Der Beginn Ihres Buches ist sehr traurig. Enzo möchte sterben und hofft, dass Denny ihn gehen lässt. Dann schaut er zurück auf sein Leben und am Ende lernt der Leser, dass das Ende ein Anfang ist. Würden Sie sagen, dass Ihr Buch Menschen helfen kann, den Zeitpunkt, wann sie ein Haustier gehen lassen sollten zu erkennen und zu akzeptieren?

„Absolut. Ich habe sehr viele Mails von Veterinären bekommen, die mich fragten, ob ich ihnen gestatte, das erste Kapitel zu fotokopieren und den Familien zu geben, die einen alten oder schwerkranken Hund haben. Um es ihnen leichter zu machen zu verstehen, was ihn einem Tier vorgehen kann. Und dass es völlig okay ist, dass all die Freude und schönen Erlebnisse, die man gemeinsam mit ihm hatte, auch Schmerz beinhaltet. Wenn wir keine Höhen und Tiefen in unserem Leben hätten, wäre es eine sehr fade Existenz. Es gäbe keine Freude, keine Herausforderungen, kein Glück. All das bedingt auch eine schmerzhafte und traurige Seite. Hunde können uns so viel Schönes geben. Es hilft, wenn wir uns vorstellen, dass er nach seinem Tod zu uns zurückkehrt oder an einem besseren Ort weiterleben wird. Ich habe mich bewusst dafür entschieden, das Buch mit dem Tag vor seinem Tod beginnen zu lassen, um ihn sich an diesem Punkt an sein erfülltes Leben erinnern zu lassen. So schließt sich am Ende ein Kreis. Wissen Sie wir Menschen haben Haustiere, Hunde, Katzen, Pferde. Wir wissen, unsere Lebensspanne ist um ein Vielfaches länger als ihre. Wir wissen, dass wir unser Leben sicher mit mehr als einem Hund oder einer anderen Katze teilen werden. Wir gehen wieder eine neue Beziehung zu einem Tier ein. Das können wir aber erst, wenn wir das vorher geliebte Tier gehen lassen und uns von ihm verabschieden. Uns an all die schönen Dinge und die traurigen Momente erinnern und sie dann loslassen. Denn es ist okay. So ist das Leben.“

Ich glaube, wenn man ehrlich zu sich selbst ist und sein eigenes Ego hinten anstellt, dann weiß man, wann es Zeit ist, sein Tier gehen zu lassen.

„Dem kann ich nur voll und ganz zustimmen. Es wird allerdings immer dann qualvoll für ein Tier, wenn seine Menschen diese Tatsache verdrängen. Wissen Sie, ich habe das Buch Max gewidmet, einem Hund den wir hatten, als ich noch klein war. Ich bin mit ihr aufgewachsen und als ich ein Teenager war wurde klar, dass es ihr nicht mehr so gut geht. Sie hatten Schmerzen in den Hüften und konnte kaum noch laufen. Eines Tages kam mein Vater früher nachhause. Er trug noch seinen Geschäftsanzug, lud sie ins Auto und fuhr mit ihr weg. Später kam er ohne sie zurück. Er trat an den Schrank, in dem wir alle ihre Sachen aufbewahrten und warf alles, ihre Bälle, den Napf, Leinen usw. in eine Mülltüte, band sie zu und brachte sie raus in die Tonne. Er verlor kein Wort darüber. Nie! Als ich das Buch fertig hatte und mir überlegte, wem ich es widmen könnte, erinnerte ich mich an Max und entschied es ihr zu widmen. Meinen Eltern sagte ich darüber nichts. Als dann die erste druckfrische Ausgabe bei mir ankam, zeigte ich sie meinen Eltern, die in unserer Nachbarschaft lebten. Als mein Vater es aufschlug und sah, dass ich es Max gewidmet hatte, fing er an zu weinen. Es ist ein Trauerprozess, den jeder für sich durchleben muss. Ich finde es nicht verwerflich, wenn jemand um seinen Hund trauert. Wenn wir einen geliebten Menschen verlieren, dann finden wir Hilfe. Sei es nun professionell oder innerhalb des Freundeskreises und der Familie. Nur, wenn jemand von seinem Tier Abschied nehmen will, dann lassen wir ihn oft damit einfach allein. Ich glaube, wir alle haben immer noch große Angst vor dem Tod. Es ist etwas, dass tief verwurzelt ist in Religion oder Spiritualität. Ich selbst glaube an ein unerschöpfliches Universum. Und mir gefällt die Vorstellung, dass Dinge fortbestehen. Ich bin nun in diesem Körper in dieser Welt. In einem anderen Leben ist meine Seele in einem anderen Körper. Für mich ist dieser Fortbestand ein Lernprozess. Diese Sichtweise ist für mich auch mit einer Verantwortung für meine Umwelt, die Erde und alles was darauf lebt, verbunden. Wir gehen viel zu häufig durch unser Leben und suchen die Schuld bei anderen oder machen uns selbst Vorwürfe. Ich möchte mit diesem Buch eine Botschaft verbinden: Wir müssen einfach aufhören andere für uns verantwortlich zu machen. Ich sage auch nicht, dass wir uns Selbstvorwürfe machen sollen, denn auch das ist eine Form von Schuld. Ich sage vielmehr, wir müssen damit aufhören überhaupt nach einem Schuldigen zu suchen. Wir sollten uns vielmehr auf das Hier und Jetzt konzentrieren und all unsere Energie auf die Zukunft richten. Wollen wir wirklich in einer Welt leben, in der es nur darum geht, möglichst viel Geld zu machen und in der Aggression und Unzufriedenheit unser Denken bestimmen? Oder wollen wir eine Welt in der jeder als Individuum so akzeptiert wird, wie er ist? Es ist immer leicht zu sagen, es ist nicht meine Schuld, sondern deine. Also bitte schön, sorge dafür, dass alles wieder ins Lot kommt. Aber hey – wer hat denn gesagt, dass das Leben leicht wäre? Wir sollten uns nicht für den einfachen Weg entscheiden, sondern für den schweren Weg. Wenn wir ihn mit Freude im Herzen beschreiten, geht uns alles auch viel leichter von der Hand. Ich habe die ersten Kapitel des Buches innerhalb von nur wenigen Monaten geschrieben, weil Enzos Stimme zu mir kam. Alles fügte sich plötzlich zu einem Bild zusammen und ich konnte es kaum erwarten, morgens nach dem Aufstehen an den Computer zu laufen und weiter zu schreiben.“

Warum glauben Sie, will Enzo so verzweifelt als Mensch wiedergeboren werden. So schlecht ist das Leben eines Hundes in der Regel ja nun nicht?

„Die Frage wird mir häufig gestellt, weil alle sagen, ein Hundeleben ist oft erstrebenswerter als ein Menschenleben. (lacht) Ich glaube, Enzo liebt Denny so sehr, dass er in seinem nächsten Leben wie er sein möchte. Auf eine besondere Weise ist es eine Vater-Sohn-Beziehung. Enzos Liebe zu Denny ist so groß, dass es keinen Unterschied machen würde, wenn der anstatt Rennfahrer vielleicht Künstler wäre. Damit will ich sagen, dass ich nicht den Eindruck erwecken möchte, dass alle Hunde im nächsten Leben als Rennfahrer zurückkehren wollen.“

Rein biologisch stehen die Affen dem Menschen näher. Emotional sind Mensch und Hund aber viel enger verbunden. Woran glauben Sie liegt das?

„Ich bin kein Biologe, aber ich denke, dass es gerade diese Ähnlichkeit zwischen Mensch und Affe ist, die eine gewisse Distanz schafft. Als die Menschen den Wolf domestizierten entstand eine Gemeinschaft, die sehr viel tiefer geht, als mit jeder anderen Spezies, weil sie auch auf einer ganz anderen Eben abläuft. Die Mimik eines Hundes können wir zwar erkennen, aber wir wissen trotzdem nur einen Teil davon zu deuten. Andererseits verstehen wir uns mit einem Hund oft auf einem nonverbalen sehr tiefen Level. Enzos Therapie dazu basiert mehr auf seinem übergroßen Ego. (lacht) Wenn Kinder lernen, beispielsweise zu lächeln, dann aus der Erfahrung heraus, dass es eine positive Gegenreaktion und Aufmerksamkeit hervorruft. Ähnlich, wenn ein Kind weint. Wenn Sie sich einen Hund ansehen, der hat sehr schnell raus, was er tun muss, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Hunde sind clever und wissen ganz genau, wie sie uns um die Pfote wickeln können. Comet ist das beste Beispiel. Ich habe ihr schon sehr früh ein paar Tricks beigebracht. Als sie älter wurde, fing sie an zu schludern und sich nicht mehr ganz zu drehen oder die Übung einfach mal abzuwandeln. Danach sah sie mich immer so an als wollte sie sagen: Was? Ich habe doch gemacht was du wolltest. Also wo bleibt jetzt das Lob? Sie machte nur eine halbe Rolle und fand, das sei genug, um dafür gelobt zu werden. Da soll noch mal einer sagen, ein Hund sei nicht effektiv.“ (lacht)

Hunde sind sehr gute Beobachter.

„Absolut. Comet weiß ganz genau, dass sie während wir essen draußen bleiben muss. Sobald sie hört, wie wir das Geschirr zusammenstellen, steht sie an der Türschwelle und schaut zu uns rein. Weil sie weiß, dass für sie am Ende immer was abfällt.“

Arbeiten Sie an einem neuen Buch derzeit?

„Ich brüte ein paar Ideen aus und ich habe mir schon ein paar Notizen gemacht. Aber es ist noch nicht so weit gediehen, dass ich mich hinsetzen kann um es aufzuschreiben.“

Claudia Hötzendorfer     

Buchtipp:

Garth Stein: Enzo – die Kunst ein Mensch zu sein  

Knaur 2010, 329 S.

Filmtipp:

Enzo und die wundersame Welt der Menschen (The Art of racing in the Rain)

Verleih: Fox – Länge: 109 Min.

Filmstart: 3. Oktober 2019

Darsteller: Milo Ventimiglia, Amanda Seyfried u. a.

Regie: Simon Curtis

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