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Tierschutzarbeit: „Liebe allein ist zu wenig“

Der 4. Oktober – dem Todestag des wohl ersten Tierschützers überhaupt, Franz von Assisi – ist zum Welttierschutztag ausgerufen worden. Traurig genug, dass nach wie vor Haus- und Nutztiere im Elend leben müssen und es eines deklarierten Tages bedarf, die Öffentlichkeit wieder einmal darauf hinzuweisen. Sabine Neumann hat Tierheime einmal genauer unter die Lupe genommen und findet klare Worte für das, was sie vielfach vorfand. Denn die Österreicherin war entsetzt, unter welch kargen Bedingungen Hunde, Katzen, Kleintiere und Vögel dort oft mehr verwahrt als gepflegt werden. In einem Buch gibt sie wertvolle Tipps, wie Bello, Mieze und Co das Warten auf ein neues Zuhause so erträglich wie möglich gemacht werden kann. Oft bedarf es dafür nur weniger dafür aber effektiver Veränderungen.

Sabine Neumann mit ihren Hündinnnen. Foto: Archiv Neumann/Animal Learn

Frau Neumann was bedeutet Tierschutz für Sie?

„Das ist eine interessante Frage. Tierschutz bedeutet mir sehr viel. Zum einen, weil ich über ihn zum ersten meiner Hunde gekommen bin. Er hat mich sehr dafür sensibilisiert, mein Interesse geweckt und schließlich mein Leben verändert. Letztendlich hat er mich auch zu dem gemacht, was ich heute bin. Nämlich jemand der mit Hunden lebt und arbeitet, der selbst Tierschutz in einem Verein betreibt. Deshalb kann ich sagen, dass die Beschäftigung mit dem Thema mein Leben und meine Sicht auf bestimmte Dinge grundlegend verändert hat.“

Ist Tierschutz eine Menschenpflicht?

„Davon bin ich tief überzeugt!“

Ich denke, wir sind uns einig, es wäre schön, wenn es keine Tierheime gäbe. Da es aber nun mal so ist. Wie könnte Ihrer Meinung nach, ein optimales Tierheim gestaltet sein?

„Das ist schwer kurz in Worte zu fassen. Weil Tierschutz immer unter großen Schwierigkeiten stattfindet: Wenig Geld, sehr viele Tiere, die zu betreuen sind, wenig Zeit und eine sehr große physische und psychische Belastung. Entscheidend für so ein Tierheim sind die Menschen, die Tiere mit sehr viel Liebe betreuen. Gleichzeitig sollten sie ein fundiertes Fachwissen haben. Es muss eine Kombination aus Zuneigung und Liebe zu diesem Beruf sein. Liebe allein ist zu wenig und Wissen allein ist auch zu wenig.

Im Tierheimalltag ist häufig nur wenig Zeit für eine individuelle Betreuung. - Foto: Archiv Neumann/Animal Learn

Für mich sollten Hunde und Katzen sich so wohl fühlen, als seien sie dort wirklich zuhause. Der Wortteil -heim im Begriff Tierheim - sprich Zuhause - ist für mich einfach der Kernpunkt um den es gehen sollte. Das vermisse ich in sehr vielen Tierheimen.“

Wenn man Tierheimmitarbeiter auf die Lebensbedingungen ihrer Schützlinge anspricht, argumentieren sie immer mit zu wenig Geld und Zeit. Ersteres stellt in Zeiten der Finanzkrise für viele Tierschutzvereine natürlich ein großes Problem dar, weil Spenden ausbleiben. Aber was können die Betreiber nun konkret verändern, um Interesse für ihre Arbeit zu wecken? Wäre das ein Ansatz für ehrenamtliche Aufgaben?

„Das ist eine gute Möglichkeit, von der wie ich denke, aber zu wenig Gebrauch gemacht wird und deren Wichtigkeit noch zu wenig im Bewusstsein ist. Ich bin davon überzeugt, dass es sehr viele Menschen gibt, die bereit wären ehrenamtlich mitzuhelfen. Die aus den verschiedensten Gründen selbst kein Tier haben können. Ihre Zuneigung auf diesem Wege aber gern einbringen würden. Leider habe ich oft den Eindruck, dass die Tierschutzvereine lieber unter sich bleiben und sich von niemandem in ihre Arbeit hineinschauen lassen wollen. Wenn sie dann Ehrenamtliche beschäftigen, sollten die allerdings das tun, was man ihnen sagt und möglichst ihre Nase in nichts anderes hineinstecken als vorgesehen.

Ich bin jedoch davon überzeugt, dass die Bereitschaft eines Menschen sich voll zu engagieren nur dann gegeben ist, wenn er das Gefühl hat, auch wirklich ein Teil der Sache zu sein und nicht nur ein Außenstehender, der ihm zugeteilte Tätigkeiten ausführt.

In meinem Verein mache ich es anders. Ich hole die ehrenamtlichen Helfer mit ins Boot. Sie wissen, sie sind für uns ein ganz entscheidender Teil damit der Betrieb überhaupt läuft. Damit Ehrenamtliche mich bei der Arbeit wirklich unterstützen können, muss ich mir die Zeit nehmen, sie zu schulen. Ihnen also das beizubringen, was mir wichtig ist. Ich sehe darin ein sehr großes Potential.“

Es gibt Beispiele, da wurde Tierheimen Hilfe von Menschen angeboten, die durchaus bereit waren ehrenamtlich zu arbeiten. Diese Angebote wurden von den Tierschützern entweder rundweg abgelehnt oder wurde sofort beendet, wenn kritische Anmerkungen bezogen auf die Haltungsbedingungen der Tiere zu hören waren. Kann es sein, dass es Tierschützern auch deshalb so schwer fällt Unterstützung anzunehmen, weil sie zugeben müssten, dass sie bei allem Enthusiasmus möglicherweise überfordert sind und/oder anderen schlichtweg die Sachkompetenz absprechen?

„Solche Erfahrungen kenne ich auch aus eigenem Erleben. Ich habe mit einigen Tierschutzorganisationen zusammengearbeitet und mit der Zeit ist das nicht mehr so gut gelaufen. Natürlich lässt man sich nicht gern von einem Außenstehenden kritisieren. Wenn ich beispielsweise den Wiener Tierschutzverein nehme, der sich mit 500 zu vermittelnden Hunden konfrontiert sieht, dann ist da erst einmal die normative Kraft des Faktischen, die sie zwingt, erst einmal die Grundversorgung dieser Tiere sicher zu stellen. Parallel haben sie aber ein Partnerprojekt, bei dem sich Leute gezielt mit den Tieren beschäftigen, die ihre Zimmer oder Zwinger gestalten und mit ihnen spazieren gehen. Es geht schon, wenn man will. Nur muss der erste Impuls von den Tierschutzvereinen kommen und ich glaube, dass es dort an dieser Bereitschaft mangelt.

Es hat sicher auch sehr viel damit zu tun, dass wir hier über einen non-profit Bereich sprechen. Die Belohnung oder Bezahlung holen sich die Beteiligten dann woanders, nämlich in Statusdenken und Kompetenzgerangel. Dieses Ich-habe-hier-das-Sagen spielt gerade in diesem Bereich leider eine viel zu große Rolle. Ich habe sehr oft erlebt, dass man nicht miteinander an einem gemeinsamen Ziel arbeitet, nämlich dass es den anvertrauten Tieren besser geht und sie möglichst gut und für immer vermittelt werden. Es geht vielmehr darum, wer ist der Präsident? Wer hat das Sagen? Wir allein wissen wie es geht. Das finde ich sehr schade.“

„Die Auskunftsbereitschaft der Tierschützer war nicht bei allen besonders groß.“

Aus Langeweile beginnen manche Hunde damit, an ihren Pfoten zu knabbern. - Foto: Archiv Neumann/Animal Learn

Sie haben für Ihr Buch intensiv recherchiert. Wie haben die Tierschutzvereine auf Ihre Anfragen und kritischen Anmerkungen reagiert?

„Unterschiedlich. Die Auskunftsbereitschaft der Tierschützer war nicht bei allen besonders groß. Es gab beide Extreme, Offenheit und totale Verweigerung. Interessant fand ich, dass aus Deutschland sehr viel positives Echo kam. Es gab einige, die mich zu Seminaren und Mitarbeiterschulungen eingeladen haben. Die Verbesserungsvorschläge auch konkret in ihren Tierheimen umgesetzt haben. Beispielsweise in Essen. Dort hat man einige meiner Ideen aufgenommen und sie waren vom Ergebnis begeistert. Meine Anfragen in Österreich blieben in der Regel ohne Reaktion oder ich bekam zu hören: Wir wissen wie es geht. Wir brauchen niemanden, der uns sagt, was wir besser machen können.“

Sie plädieren dafür, dass die Pfleger die Charaktereigenschaften der ihnen anvertrauten Tiere möglichst gut kennen sollten, um eine positive Vermittlung gewährleisten zu können. Seit einigen Jahren liegt es jedoch im Trend, Hunde und Katzen aus Süd- und Osteuropa über Internetportale zu vermitteln. Die Informationen zu den einzelnen Tieren sind in der Regel dürftig und beschränken sich häufig auf Beschreibungen wie super lieb, verschmust, gut sozialisiert. Interessenten bekommen ihre neuen Mitbewohner oft erst zu Gesicht, wenn diese mit einem Flugpaten gerade aus Spanien, Italien oder Ungarn nach Deutschland gekommen sind. Wie denken Sie über solche eine Vermittlungspraxis? Sträuben sich Ihnen da nicht die Haare?

„Ja. Um das zu beantworten, muss ich etwas ausholen. Den Auslandstierschutz habe ich zu Beginn meiner Arbeit sehr kritisch gesehen. Mittlerweile sehe ich ihn etwas differenzierter, wenn auch nicht weniger kritisch, Wenn ich mich als Tierschützerin engagiere, kann ich natürlich nicht sagen, der endet an den Landesgrenzen meiner Heimat und alles was außerhalb passiert, geht mich nix an. So kann und darf man es nicht sehen. Ich denke aber, dass der Auslandstierschutz primär vor Ort ansetzen muss. Das kann beispielsweise Aufklärungsarbeit sein, Kastrationsprogramme und Kommunikation mit den Menschen, damit sie ihre Probleme auch selbst lösen können.

Über kurz oder lang, wird es auch nicht mehr funktionieren, immer mehr Hunde und es sind vor allem Hunde, aus dem Ausland zu adoptieren. Irgendwann ist der Bedarf gesättigt. Wichtig ist, egal ob es sich nun um einen im Ausland aktiven oder hier tätigen Tierschutzverein handelt, ich muss mich darauf verlassen können, dass dessen Angaben seriös und zuverlässig sind. Es ist dem Tierschutz insgesamt absolut abträglich, wenn unter Vorspiegelung falscher Tatsachen Tiere vermittelt werden. Es gibt schwarze Schafe aber auch Organisationen die Tiere aus dem Ausland seriös vermitteln.“

Tiervermittlung ist eine sehr verantwortungsvolle Angelegenheit.

Die Informationen zu einem Tier sind oft sehr subjektiv. Es gibt im deutschen Fernsehen Tiervermittlungssendungen. Dort wird ein Tier kurz vorgestellt. Die Angaben kann man später auf der dazugehörigen Homepage noch einmal nachlesen. Da können sie schon mal geringfügig von dem in der Sendung gesagten abweichen. Klickt man auf den angegebenen Link zum Tierheim, findet man eine weitere Variante. Ruft man an und fragt gezielt nach einem bestimmten Tier, kann es passieren, dass es noch eine vierte Version der Charaktereigenschaften gibt. Dies passiert vor allem bei Hunden und Katzen, die massive Verhaltens- oder Gesundheitsprobleme haben, die gern verschwiegen oder heruntergespielt werden, um die Vermittlung nicht zu gefährden. Das hat mitunter den Anschein, als sei die Vermittlungsbilanz wichtiger, als der Wunsch, einem Tier dauerhaft ein neues Zuhause zu geben. Denn in vielen Fällen, wird ein derartiger Hund oder eine Katze schnell zum Wanderpokal.

„Das kenne ich auch. Für mich ist eine Tiervermittlung eine sehr verantwortungsvolle Angelegenheit. Natürlich kann man nicht alle Situationen und Eigenschaften abklopfen. Aber ich bin davon überzeugt, dass man ein Tier, sofern man sich wirklich intensiv damit beschäftigt hat, wirklich seriös einschätzen kann. Mir ist es immer wichtig den Interessenten ehrlich zu sagen, worauf sie sich einlassen. Denn weder Tier noch Mensch haben etwas davon, wenn ich sie zusammenbringe mit der Idee im Hinterkopf, die werden sich schon irgendwie zusammenraufen. Hauptsache, wie haben wieder einen freien Platz für ein anderes Tier.

Das ist nicht nur dem Tier gegenüber unfair, sondern auch dem Interessenten. Denn wenn dem das zwei- oder dreimal passiert, wird der das nächste Mal doch lieber zu einem Züchter als ins Tierheim gehen. Das kann für uns als Tierschützer natürlich nicht das Ziel sein. Wir wollen, dass die Leute zufrieden sind, dass sie sagen, das war eine tolle Vermittlung und das nächste Mal wende ich mich wieder an den Tierschutz.“

Sabine Neumann wünscht sich, dass Vermittlung nicht nur über den Blick in den Zwinger verläuft, sondern sich Hund und Interessenten in ruhiger Atmosphäre besser kennen lernen können. - Foto: Archiv Neumann/Animal Learn

Nicht immer stimmen auch die Angaben, die ein Interessent macht, wenn er einen Schützling aus dem Tierheim holen will. Da ist Vorsicht von Seiten der Tierschützer sicher in manchen Fällen nicht unbegründet. Trotzdem fehlt ihnen mitunter das Fingerspitzengefühl und die Menschenkenntnis. Im Wunsch einem Hund oder einer Katze ein neues Zuhause zu suchen, schießen sie dann übers Ziel hinaus. Da werden dann plötzlich Grundbuchauszüge verlangt, als Nachweis des Eigentums, potentielle Interessenten werden vertraglich verpflichtet eine ganz bestimmte Hundeschule zu besuchen anstatt diese als Empfehlung zu geben, weil man möglicherweise gute Erfahrungen damit gemacht hat. Oder es werden Haus und Garten vorausgesetzt, wo durchaus auch ein sportlicher und unternehmungslustiger Hundefreund, der viel mit seinem Vierbeiner unterwegs ist, aber eben keinen Garten besitzt, genauso gepasst hätte. Wie lässt sich solchen Diskrepanzen entgegenwirken?       

„Mit dem von Ihnen erwähnten Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen im Umgang mit den Menschen. Ganz wichtig sind individuelle Entscheidungen. Grundsätzlich zu sagen, wir suchen nur Leute mit Haus und Garten ist schlichtweg falsch. Es gibt auch Hunde, die interessieren sich überhaupt nicht für einen Garten. Von meinen sechs Hunden sind nur drei gern im Garten. Die können jederzeit rein und raus. Anna zum Beispiel liegt lieber den ganzen Tag lang faul auf dem Sofa, die bräuchte keinen Garten. Auch mein Blacky kann gut ohne leben. Das kann man nur von Fall zu Fall entscheiden, genauso wie die Frage, ob ich einer oder einem 65-Jährigen noch einen Hund geben kann. Es muss ja nicht ein Welpe sein. Aber wenn die Person noch rüstig ist und in der Lage mit einem Hund regelmäßig rauszugehen, warum nicht?

Je mehr Mühe man sich bei der Vermittlung gibt, desto erfolgreicher ist man damit. Züchter sind da oft weniger sorgfältig. Wenn man die Informationen auf deren Webseiten list, ist jeder Hund von Natur aus freundlich, kinderlieb und fährt gern Auto.“

Sie stellen in Ihrem Buch die These auf, je höher das Einkommen sei, desto mehr Probleme hätten die Halter mit ihrem Hund. Ist es nicht auch so, dass jemand, der sich finanziell besser bewegen kann, eher zu einem Hundetrainer geht?

„Das kann schon so sein. Möglicherweise ist es auch einfach eine Frage des Problembewusstseins. Inwieweit ist man überhaupt bereit sich auseinanderzusetzen, wenn es Probleme gibt? Ein anderer Grund könnte die Erwartungshaltung an den Hund sein. Desto höher man selbst gesellschaftlich steht, desto höher sind auch die Ansprüche an den Vierbeiner an seiner Seite. Entspricht er diesen Erwartungen nicht, wird er viel schneller ausgetauscht, als bei jemandem, der auch mit einem nicht so perfekten Hund gut leben kann.“

„Es gibt sehr vieles, das in der Beziehung zu Hunden romantisiert wird.“

Sind Pflegestellen immer die bessere Lösung? Sabine Neumann sieht die Arbeit mit Pflegestellen kritisch. - Foto: Archiv Neumann/Animal Learn

Bezogen auf die Bindung, die ein Tier schnell zu einem Menschen herstellen kann, sehen Sie die Arbeit mit Pflegestellen verschiedener Vereine problematisch.

„Ich habe das Thema Pflegestelle kritischer beleuchtet, als es gemeinhin üblich ist. Es gibt sehr vieles, das in der Beziehung zu Hunden romantisiert wird. Dazu gehört naturgemäß auch die Pflegestelle, die durchweg positiv besetzt ist. Tatsächlich ist es aber für viele Tiere nicht so einfach mit einer Pflegestelle zu Recht zu kommen.

Besonders gern werden traumatisierte und ängstliche Vierbeiner in eine Pflege gegeben. Die brauchen ihre Zeit, um sich einzuleben und genau in dem Moment, in dem sie langsam ankommen und sich heimisch fühlen, müssen sie wieder weg. Wenn man dann noch bedenkt, wie viele Vermittlungen ablaufen und ein Tier zu einem ihm völlig fremden Menschen kommt, dann darf man sicher sein, dass es Probleme geben wird.

Was von Pflegestellen auch kaum bedacht wird, wie geht es den eigenen Hunden und Katzen mit dem Gast auf Zeit? Das ist für mich ein Riesenthema, das ich aus eigener Erfahrung gut kenne. Ich betreibe Mehrhundehaltung und jedes Mal, wenn ein neuer Hund dazukommt, dauert es bis er sich eingelebt hat. Oft über mehrere Wochen, bis es irgendwie halbwegs harmonisch wird. Erst etwa nach einem halben Jahr wachsen sie dann als Rudel zusammen. Wenn man ein Individuum da wieder herausreißt, wird das auf Dauer für die verbleibenden Hunde sehr anstrengend.“

Stellt sich diese Frge nicht auch, wenn ein Tierheim Rudelhaltung hat?

„Natürlich. Übrigens sprechen wir von Gruppenhaltung, denn ein Rudel ist immer eine gewachsene Struktur und Familienverband. Es gibt verschiedene Gruppengrößen. Im Süden ist die wesentlich häufiger, als in unseren Breiten. Was vielleicht auch an den hier vorwiegend lebenden Rassen liegt. Bei einer Gruppe von zehn Schäferhunden klappt das sicher nicht so gut, wie bei Jagd- und Meutehunden in Spanien.

Sie haben aber Recht, wenn sich in einer Tierheimgruppe ein Sozialgefüge bildet und dort diese Hunde auch Herzensbindungen eingehen, wird es oft schwierig, wenn ein Tier aus dieser Gemeinschaft entfernt wird. Dieses Problem sollte einem auch bewusst sein. In solchen Fällen sollte man schon darauf achten, dass man diesen Hund speziell betreut und ihm einen Ersatz gibt.

Andererseits muss man sich nach dem kleineren Übel fragen. Ich bin überzeugt davon, dass es für die Hunde, sofern sie verträglich sind, eine wesentlich höhere Lebensqualität darstellt in der Gruppe, als einzeln gehalten zu werden. Stellen Sie sich mal vor, da haben sich zwei Hunde wirklich gefunden und haben sich wirklich gern. So was passiert immer mal wieder. Und wenn so ein Lebenspartner vermittelt wird, kann das schon schwierig werden. In solchen Fällen wäre es natürlich ein Traum, die beiden gemeinsam zu vermitteln.“

„Es ist enorm wichtig, dass man im Tagesablauf Ruhephasen einbaut und dafür sorgt, dass die Tiere ungestört sind.“

Hunde brauchen Rückzugsmöglichkeiten. Wenn sie diese zerstören, kann Langeweile ein Grund dafür sein. Foto: Archiv Neumann/Animal Learn.

Sie weisen in Ihrem Buch auf den enormen Stresslevel hin, dem vor allem Hunde in einem Tierheim ausgesetzt sind. Entgegen vielen Katzenhäusern, die noch verhältnismäßig behaglich eingerichtet sind, leben Hunde oft in kahlen Zwingern. Was sie schon aus Langeweile zum Bellen verleitet. Der Lärmpegel plus des Besucherstroms, der an den Zwingern vorbeiläuft, bedeutet Dauerstress für die Tiere. Wo sehen Sie Möglichkeiten für Änderungen?

„Zunächst einmal müssen Besucher nicht an den Zwingeranlagen vorbeilaufen. Das Konzept mit der Zwingerschau ist schon schlecht, weil Hunde von Natur aus wachsamer sind als Katzen und das durch Bellen anzeigen. Das ist ein Grund dafür, warum man sie domestiziert hat. Es bedeutet für sie einfach Stress, wenn Fremde vorbeigehen. Man hat in Studien nachgewiesen, dass die Aufregung größer ist, wenn Fremde kommen, als das bekannte Personal. Also würde ich den Hunden schon erheblichen Stress nehmen, wenn ich den Besuchern nicht erlaube, an den Zwingern vorbei zu laufen.

Als Alternative bietet sich folgendes Modell an: Man kann den Hunden in ihren Zwingern einen Bereich schaffen, in den sie sich zurückziehen können. Das kann ein ausgemustertes Sofa sein, eine Box, ein gemütliches Körbchen und ähnliches. Dazu kann ich Ihnen ein Beispiel erzählen von einer Staffordshire-Hündin. Die hat sich immer mordsmäßig aufgeregt, wenn jemand an ihrem Zwinger vorbeigegangen ist. Die Pfleger haben ihr daraufhin einen alten Sessel hineingestellt. Sie ist draufgehüpft, hat sich hingelegt und immer, wenn jemand draußen vorbeilief, hat sie den Kopf gehoben, kurz überlegt und dann beschlossen, es lohnt sich nicht dafür aufzustehen und ist liegen geblieben.

Hunde sind von Natur aus Energiesparer und eher auf der gemütlichen Seite. Manchmal kann man schon durch Rückzugsbereiche Hunde dazu bringen, etwas ruhiger zu werden. Dieses bißchen Gemütlichkeit steigert ihre Lebensqualität. Parallel dazu schafft man einen gemütlichen Bereich, das kann beispielsweise ein Zimmer sein, das nett eingerichtet ist und dort kann man Interessenten den Hund vorstellen. Das nimmt viel von der Aufregung aus so einer Situation heraus. Man sollte auch immer bedenken, dass Hunde sehr geräuschempfindlich sein können. Wir haben einen Hund aus einem kleinen Tierheim in der Nähe von Düsseldorf übernommen, der war extrem geräuschempfindlich. Ich wohne zum Glück sehr ländlich und für ihn war es ein wesentlicher Bestandteil seiner Therapie, dass er mal zur Ruhe kam. Der war bei jedem Geräusch gleich auf Hundert. So ist er nie runtergekommen. Und er ist kein Einzelfall.

Ich weiß nicht, ob Sie jemals in einem Tierheim gearbeitet haben oder einmal längere Zeit dort waren. Wenn man da arbeitet, ist es oft sehr unruhig und laut. Mit der Zeit merkt man, wie man selbst kribbelig wird. Weil dieser Lärm unglaublich nervt und stresst. Und man ertappt sich dann bei dem Bedürfnis laut Ruhe! brüllen zu wollen. Ich denke, den Hunden geht es genauso. Es würde deshalb ihre Lebensqualität schon sehr erhöhen, wenn sie einmal die Chance hätten zur Ruhe zu kommen. Deshalb ist es enorm wichtig, dass man im Tagesablauf Ruhephasen einbaut und dafür sorgt, dass die Tiere ungestört sind.“

Wenn Sie weg möchten vom Klassiker: Zwingerbummeln und Hunde anschauen, die einen interessieren. Wie könnte denn eine Vermittlung im Tierheim sonst noch aussehen?

„Für mich sieht eine Vermittlung nicht so aus, dass jemand durchs Tierheim läuft und sich Hunde in einem exorbitanten Aufregungszustand am Gitter anschaue. Optimal wäre es, wenn es Pfleger gibt, die sich mit den Interessenten unterhalten, um auszuloten, für welche Hunde diese sich interessieren. Die sich überlegen, welches der Tiere, die im Heim leben da infrage kommt. Dann bekämen die Leute erst einmal in Kurzfassung einige wichtige Informationen zum Hund. Daran würde sich eine Vorstellung in einem Bereich anschließen, in dem sich das Tier so präsentieren kann, wie es wirklich ist. Und zwar nicht hinter einem Gitter hektisch hin- und herlaufend. Sondern sofern vorhanden in einem Auslaufbereich oder einem Zimmer, das extra zu diesem Zweck gemütlich eingerichtet wurde mit Körbchen, Spielmöglichkeiten etc. Dort haben sie eine Chance einander kennen zu lernen auf eine Art und Weise, die dem Pfleger auch einen Eindruck davon vermittelt, ob Mensch und Hund zusammenpassen könnten. Das kann ein guter Start in eine gemeinsame Zukunft sein. So stelle ich mir eine optimale Vermittlung vor.

Das Tierheim Essen hat beispielsweise seine Vermittlungspraxis auf diese Weise umgestellt und hat damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Natürlich gibt es immer wieder Tierschützer, die auf solche Vorschläge mit Unverständnis reagieren. Demgegenüber stehen aber die positiven Beispiele mit einem sehr guten Feedback. Die Vermittlungen wurden auch nicht weniger, sondern stiegen sogar noch an und klappten langfristig gesehen auch besser. Weil es immer seltener passiert, dass ein Tier wieder zurück ins Tierheim kommt.“

Ist es nicht traurig, dass man Tierschützer auf solche Dinge auch noch hinweisen muss? Dass sie nicht von selbst mal draufkommen, dass etwas an ihrer Vorgehensweise falsch läuft oder zumindest mal überdacht werden sollte?

„Da kann ich Ihnen nur voll und ganz zustimmen.“

Hunde, die Beschäftigungsmöglichkeiten haben, sind ausgeglichener. - Foto: Archiv Neumann/Animal Learn

Davon ausgehend, dass Pflegepersonal nicht alle Charaktereigenschaften eines Hundes kennen kann, wenn der nur in seinem Zwinger hockt und deshalb auch potentielle neue Besitzer nicht informieren kann, passiert es auch häufig, dass – sofern Schwierigkeiten bekannt sind – damit nicht ehrlich herausgerückt wird.

„Was natürlich sehr kurzsichtig ist. Klar vordergründig sieht es erst einmal gut aus, wenn wieder ein Tier das Heim verlassen kann. Nur langfristig gesehen landet der Hund dann doch wieder bei den Tierschützern, wenn nicht in diesem, dann eben in einem anderen Heim. Für mich gehören zu seriösen Vermittlungen auch Spaziergänger-Schulungen. Das ist bei weitem kein Standard. Bevor ich einem Interessenten einfach einen Hund für eine Probespaziergang in die Hand drücke, habe ich ihn auf ein bestimmtes Level gebracht und er weiß, wie er mit dem Hund umgehen soll. Was machen wir, was nicht und warum nicht und welche Situationen meiden wir und warum? Ich würde die Interessenten auch immer auf ihren ersten Spaziergängen begleiten. Dann kann ich mir anschauen, wie das Miteinander klappt, indem ich die Leine auch mal übergebe. Ich bin aber noch dabei und kann sehen, ob die Person, den Hund überhaupt handeln kann. Zusätzlich gibt es noch ein paar Tipps von mir. Der nächste Schritt wäre dann den Interessenten mit dem Hund im Auslauf, im gesicherten Bereich, einmal gemeinsam ohne mich zu lassen, damit sie sich allein miteinander beschäftigen. Weil es natürlich wichtig ist, dass die beiden Zeit miteinander ohne eine dritte Person verbringen. Denn der Mensch soll ja in sich hineinhorchen können, ob der Hund zu ihm passt. Aber die beiden einfach unvorbereitet loslaufen zu lassen, das käme bei mir nicht infrage.“

„Tierheimarbeit ist ein Knochenjob und geht an die Substanz“

Durch die Landeshundegesetze sitzen immer mehr so genannte Listenhunde in den Heimen, die kaum eine Chance auf Vermittlung haben.  

„Das wächst sich immer mehr zu einem großen Problem aus. Denn die Anzahl, der schwer oder überhaupt nicht vermittelbaren Hunde steigt ständig an. Das stellt die Tierheime natürlich vor große Probleme. Weil ein Großteil der Plätze mit Tieren belegt ist, die lange bleiben. Dass die Leute, die dort arbeiten in der Regel schlecht bezahlt sind, viel dafür leisten müssen und schlecht ausgebildet sind, spielt dabei auch eine Rolle. Ich habe lange Zeit in Tierheimen gearbeitet und ich muss sagen, es ist ein Knochenjob. Die Arbeit geht an die Substanz. Nicht umsonst ist die Personalfluktuation sehr hoch. Es gibt nur wenige, die wirklich lange in dem Beruf bleiben, weil er extrem verschleißt.

Ich denke, da müsste bereits angesetzt werden. In gutes Personal sollte man etwas investieren, weil es eine Investition in die Zukunft ist. Leider haftet dem Tierschutz oft immer noch ein gewisses Schmuddel-Image an. Da werden Vorurteile kolportiert wie, ach die Hunde aus dem Tierheim sind doch sowieso alle krank oder gestört. Man weiß nicht, was man da bekommt. Von diesem Image muss man unbedingt weg. Tierheime sollten im Bewusstsein der Menschen ein hellerer Ort werden. Den man nicht gleich mit einem Gefängnis assoziiert. Sondern vielmehr als zweite Chance für Tiere, die dort auf ein neues Zuhause warten. Wo man bestrebt ist professionell alles für die Tiere zu tun, um sie an die richtigen Menschen zu vermitteln.

Dass der Besuch im Tierheim für den Menschen nicht mehr beklemmend ist, sondern mit etwas positivem verknüpft wird. Das hat natürlich schon sehr viel damit zu tun, wie ich meine Tiere dort präsentiere. Sie kennen sicher das Phänomen, wenn Sie in ein Katzenhaus gehen. Da ist es gemütlich, bunt und man hat gleich ein gutes Gefühl. Ich habe den Eindruck, die Katzen fühlen sich dort wohl. Wenn ich aber in den allermeisten Tierheimen ins Hundehaus mit seinen kahlen Zwingern gehe, wirkt es gleich beklemmend. Das ist schon ein wenig so, als würde man sich einen Partner im Knast aussuchen gehen, Und wer will das schon? Das sind wohl die wenigsten Leute. Es ist höchste Zeit umzudenken. Das Tierheim soll kein Ort sein, an dem man sich unwohl fühlt. Nicht nur wenn man hingeht, sondern schon, wenn man nur dran denkt. Fragen Sie doch mal jemanden, was er mit einem Tierheim verbindet. Viele werden Ihnen antworten, da gehe ich nicht hin, das halte ich nicht aus, das tut mir weh. Davon müssen wir weg!“

Was würden Sie denn an Farben und Materialien oder Gegenständen empfehlen, um es den Hunden etwas angenehmer zu machen?

„Das hängt von den räumlichen und finanziellen Möglichkeiten ab. Das Minimum, das Hunde haben sollten, sind Liegeplätze in irgendeiner Form. Damit meine ich weiche Dinge wie Decken, Kissen oder Matratzen. Ja – es kommt vor, dass die Hunde das zerstören. Wenn sie das tun, dann in der Regel nicht aus Bosheit, sondern vielmehr aus Langeweile, weil sie eine Beschäftigung suchen oder Stress abbauen. Also heißt das in der Konsequenz, dass ich dem Tier auch diesen Ausgleich bieten muss, sonst dreht es irgendwann durch und fängt an ins Gitter oder in die Wand zu beißen oder sich selbst zu verletzen.

Bei Hunden, bei denen es gesundheitsgefährdend wäre ihnen Decken zu geben, kann man als Alternative zumindest Kartons anbieten. Wenn sie die zerlegen und da etwas von fressen, scheiden sie das komplett wieder aus. Es passiert also nichts.

Habe ich Hunde, die ihnen angebotene Decken und Liegeplätze immer wieder zerstören, habe ich als Tierheimbetreiber die Information, dass die Lebensbedingungen für dieses Tier alles andere als optimal sind und ich dringend daran etwas ändern muss. Sehr viele Hunde kommen erstmals wirklich zur Ruhe, wenn sie einen gemütlichen Liegeplatz bekommen. Denn sie können sich zurückziehen. Man kann ihnen zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten in einfachster Form wie Schachteln, Kartons oder einen gefüllten Kong oder Kauknochen geben, Etwas, das ihnen zu tun gibt.

Wenn es möglich ist, sollte jeder Hund, wenn nicht jeden, dann doch jeden zweiten Tag einige Minuten individuelle Beschäftigung mit einem menschlichen Partner bekommen, um ihm beispielsweise kleine Tricks beizubringen oder um mit ihm Suchspiele zu machen, ihn also schlichtweg vom Kopf her beschäftigen. Dafür kann man sehr intensiv mit Ehrenamtlern arbeiten.“

„Tierheime sollten im Bewusstsein der Menschen ein hellerer Ort werden und als zweite Chance für Tiere, die dort auf ein neues Zuhause warten, gesehen werden.“.

Wäre das nicht auch ein Ansatz für Hundetrainer oder Tierpsychologen, die sich ehrenamtlich engagieren möchten?        

„Das bedingt ein sich Öffnen von beiden Seiten. Klar sollte auch sein, dass die Hundetrainer ihre Arbeit in einem Tierheim nicht als Versuchsfeld verstehen. Bedingung wäre für mich auch, dass sie mit gewaltfreien Methoden arbeiten. Es darf nicht um ein sich selbst Profilieren gehen, sondern den Tieren zu helfen, muss der alleinige Grund sein. So eine Zusammenarbeit muss ja nicht einseitig sein.

Ein Trainer, der die Hunde im Tierheim ehrenamtlich oder zum Minimalsatz betreut, könnte bei der Vermittlung ja weiterempfohlen werden. So ein Modell könnte sicher funktionieren. Man könnte auch Seminare, die primär der Mitarbeiterschulung dienen, öffentlich ausschreiben. So bekommt man über die Teilnahmegebühr schon wieder einen Großteil der Kosten für den Referenten wieder herein. Denn in der Hundeszene ist sowohl der Bedarf als auch das Interesse an Weiterbildung vorhanden.“

Ein gefüllter Kong kann bereits eine kleine Abwechslung sein. - Foto: Archiv Neumann/Animal Learn

„Ich habe die Vision, dass ein Tierheim ein Informationszentrum rund um die dort zu vermittelnden Tiere werden kann und sich gewissermaßen als Servicecenter etabliert“.

„Ein Kompetenzzentrum und eine Anlaufstelle für Fragen rund ums Tier. Das würde den Tierheimen auch helfen, von ihrem Negativimage wegzukommen. Über diesen Weg könnte man auch Geld rein bekommen.“

Sie erwähnen in Ihrem Buch Wesens- und Verhaltenstests in Tierheimen. Diese Vorgehensweise sehen Sie sehr kritisch. Warum?   

„Ursprünglich kommen diese Wesens- und Verhaltenstests aus dem englischsprachigen Raum. Das läuft immer so ab, dass ein Hund, der gerade angekommen ist durch einen verkürzten Wesenstest muss. Davon verspricht man sich herauszufinden, ob er familien- und menschenfreundlich ist etc., um ihn sehr schnell einordnen zu können.

Zunächst einmal halte ich Wesenstests grundsätzlich für bedenklich in den meisten Fällen. In Tierheimen kommt der Hund gerade an, hatte noch keine Chance sich einzuleben. Dann ist es unfair, ihn gleich durch diesen Test zu zwingen. Für manche Tiere bedeutet der auch gleich das Todesurteil. Leider gibt es nicht viel Literatur zu Tierheimen. Wie es bei wissenschaftlichen Arbeiten üblich ist, schreibt man dann auch noch gern voneinander ab. Was irgendwann einmal publiziert wurde, hält sich auch sehr lange. Deshalb findet man nach wie vor die Empfehlungen für diese Wesenstests als standardisiertes Verfahren in allen wissenschaftlichen Arbeiten, die sich mit Tierheimen beschäftigen. So wie immer noch der Hinweis bezogen auf die Vermittlungsdauer aus dem Jahr 1976 zitiert wird, der empfiehlt, ein Tier, das nach vier Wochen noch kein neues Zuhause gefunden hat zu euthanasieren, weil es eh keine Chance hat.

Wenn wir noch kurz auf den finanziellen Aspekt kommen. Ich bin davon überzeugt, dass manche Tierschutzvereine nicht so arm sind, wie sie tun. Da wir ja gerade über die Weiterbildung der Mitarbeiter als Investition in die Zukunft gesprochen haben; ich glaube schon, dass es Tierschutzvereine gibt, die sich das durchaus leisten könnten. Ich glaube, dass es oft weniger das Geld ist, woran es scheitert, als vielmehr die fehlende Bereitschaft der Umsetzung und das Verlassen ausgetretener Pfade. Ich probiere einfach mal aus und öffne mich für etwas Neues. Denn es gibt leider immer noch Vereine, die so aussehen wie vor 25 Jahren. Obwohl sich in der Zwischenzeit unheimlich viel an Wissen getan hat.

Wir haben ja jetzt hauptsächlich nur über Hunde gesprochen. Aber auch im Kleintierbereich und bei den Vögeln liegt sehr viel im Argen. Wenn man sich die Haltungsbedingungen anschaut, dann sind die oft haarsträubend und alles andere als artgerecht. Was ich im Tierschutz sehr vermisse ist ein Wir-Gefühl, das sich untereinander austauschen. Anstatt sich, wenn überhaupt mal Tierschützer zusammenkommen, nur gegenseitig ihr zu Leid klagen, sollten sie vielmehr gemeinsam kreativ werden, Ideen auszutauschen usw. Wenn ich irgendwo auf einer Weiterbildung war, nehme ich immer Ideen mit. Ich bin immer ganz begierig darauf, es dann zu versuchen und umzusetzen. Man wird nun mal schnell betriebsblind und braucht einfach Impulse von außen. Oft ist man auch nur zu bequem etwas zu ändern, wenn es funktioniert. Ich habe Kontakt zur Tierschutz-Liga, die mehrere Tierheime unterhält. Die verfolgen das Rotationsprinzip. Die Mitarbeiter werden immer phasenweise in den verschiedenen Heimen eingesetzt. Der stete Wechsel fördert den Austausch untereinander und gibt den Mitarbeitern Impulse.“

Einige Tierheime sind schon recht aktiv mit regelmäßigen Flohmärkten oder Kaffeenachmittagen und ähnlichem, um Außenstehende für sich zu interessieren.

„Ich halte das für gute Ideen. Wir Menschen suchen doch immer etwas, mit dem wir uns identifizieren können. Wir wollen das Gefühl haben dazuzugehören. Warum nicht als Teil eines Tierschutzvereins? Es ist wirklich wenig Engagement jedes Jahr nur eine Spende zu überweisen, wenn wieder die aktuelle Zeitschrift mit einer Zahlkarte in der Post war. Es sollte etwas mehr sein, das ein Gefühl vermittelt, ein wichtiger Teil des Ganzen zu sein. Stammtische zum Beispiel, wo man Gleichgesinnte kennen lernt. Wo man auch das Personal trifft und sieht, wer steht dahinter.“

„Was ich im Tierschutz sehr vermisse ist ein Wir-Gefühl, das sich untereinander austauschen.“

Sie haben in Ihrem Buch angeregt auch Tellington-Touch oder Bach-Blüten einzusetzen. Das bedingt jedoch beim Personal, dass es sich intensiv damit auseinandersetzt und auch das Interesse dafür mitbringt.

„Erstens muss man sich dafür öffnen und dafür bereit sein. Ich bin davon aber überzeugt, dass es Leute gibt, die sich schon länger damit befassen und ihr Wissen in den Tierschutz einbringen würden, wenn man sie fragen und auch lassen würde. Auch als Profi in solchen Bereichen kann man von so einem Engagement profitieren, weil man bei der Arbeit in einem Tierheim es mit speziellen Herausforderungen zu tun hat. Verschiedene Charaktere, verschiedene Schicksale und Altersstufen. Im Tierschutz läuft es nie nach Schema F, das habe ich gelernt und so wird es auch gemacht. Arbeit im Tierschutz kann für beide Seiten, die zu betreuenden Tiere und die Menschen, die sich einbringen eine symbiotische Sache sein von der beide profitieren.“

Wenn Sie sich etwas für den Tierschutz wünschen dürften, was wäre das?

„Der erste und größte Wunsch wäre, dass wir Tierschutz nicht mehr brauchen. Das wäre mein Traum. Solange wir ihn noch brauchen, hätte ich gern, dass die Menschen, die im Tierschutz aktiv sind, die ihnen anvertrauten Lebewesen als ihre Schutzbefohlenen ansehen. Dass sie die Tiere letztlich so behandeln, als wären es ihre eigenen. Dass sie am Abend mit dem Gefühl nachhause gehen, alles Menschenmögliche getan zu haben, damit die von ihnen betreuten Tiere sich wohl fühlen können. Ich glaube, dann wäre der Tierschutz schon einen großen Schritt weiter.“

Das Interview führte Claudia Hötzendorfer

Buchtipp:

Sabine Neumann Tierheim – Schicksal oder Chance?! (Animal Learn)

Kontakt und weitere Informationen:

Sabine Neumann hat gemeinsam mit dem Animal Learn Verlag Merkblätter zur Aus- und Fortbildung für Tierschützer und ehrenamtliche Helfer entwickelt, die im Anhang ihres Buches zu finden oder kostenlos bei Animal Learn: www.animal-learn.de erhältlich sind.

Weitere Infos zur Arbeit von Sabine Neumann unter: www.traum-hund.com

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